Die Neustadt bis 1813                               

Die 1.Zerstörung 1213
Magdeburg wurde erstmals im Jahr 805 urkundlich erwähnt. Nördlich der Stadt entstand um diese Zeit an der Elbe das Dorf Frose, in dem vor allem Schiffer und Fischer wohnten. Frose wurde 937 von Otto I dem Dominikanerkloster Mauritius geschenkt.           Westlich von Frose siedelten Leute aus niederen Ständen, die sich Häuser in der Stadt Magdeburg nicht leisten konnten und es wurden nach und nach auch Beckenschläger, Schiffer, Tuchmacher, Kürschner und andere Handwerker mit ihren Familien sasshaft. Solche Ansiedlungen vor einer Stadt dienten vor allem der Versorgung der Stadtbewohner. Es vollzog sich eine Entwicklung, wie sie auch in anderen deutschen Städten üblich war. Aus diesen noch ganz vereinzelt stehenden Häusern wuchs allmählich eine Vorstadt heran. In historischen Dokumenten nannte man sie bald "nova civitas" - die neue Stadt.

Der Erzbischof Albrecht II (auch Albert oder Adelbert) von Kefernburg war von 1205 bis 1232 im Amt. Er gründete u.a. im Jahre 1209 die Lorenzkirche in der neuen Stadt und anlässlich der Weihe dieser Kirche wurde die Neustadt erstmals urkundlich erwähnt.

Zwischen dem Pabst und Kaisaer Otto ergaben sich ernste Konflikte, die letztlich dazu führten, dass Albrecht den Bannfluch des Kaisers in seinem Bistum verkünden, was er jedoch mit Widerstreben machte. Er stand zwischen zwei Übeln. Entweder er zog sich den Zorn des Pabstes oder den Zorn des Kaisers zu. Er entschied sich für den Pabst. Kaiser Otto IV fiel 1211 mit seinem Heer in das Bistum Magdeburg ein. Durch sein Heer wurden alle Dörfer rings um Magdeburg zerstört, so auch Frose und die gerade erst entstandene Neustadt. Die Bewohner mussten 1213 die vollständige
Zerstörung erleiden.

        

        Lageplan der ältesten Mauerumfriedung der Stadt
        Magdeburg. Fett umrandet die Lage der neuen Stadt
        und des Fischerdorfes Frose vor der Zerstörung 1213
        (aus Montagsblatt Nr. 1 vom 2.1.1906) 
   

         Die Neustadt erhält Stadtrecht
Auf den Trümmern der niedergebrannten "neuen Stadt" entstanden relativ schnell neue Wohnbauten, so dass sich der Erzbischof entschloss, eine Stadterweiterung vorzunehmen. Er gab der Altstadt mit einer Mauer die Größe, wie sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bestand. Der neue Mauerbau begann um 1220 und verlief, so Priegnitz, "von der Nordfront zwischen den beiden Steinernentischstraßen und dicht des südlichen Tränsberges" zur Elbe. Man nannte sie später die "Albertinische Mauer".
 

Albrecht II machte aus der Not eine Tugend. Er wollte aus den Trümmern der Neustadt Größeres entstehen lassen. Er wies den Bewohnern der Neustadt nördlich der neuen Magdeburger Stadtmauer Bauland zu. Die vorher nur aus lockeren Verband einzelner Meierhöfe, Vorwerke, Wohnhäuser und anderen Gebäuden bestehende neue Stadt wurde mit Einbeziehung der Feldmarken benachbarter, im Krieg zerstörter Dörfer, nach größerem Maßstab wieder aufgebaut.

Im Jahr 1230 verlieh Albrecht II der Neustadt das Stadtrecht und ließ die Stadt mit einer Mauer, die sieben Tore hatte, umgeben. Die Neustadt wurde eine eigenständige Landstadt mit Wappen und Stadtsiegel.

 

Die Stadtachse war der Neustädter Breite Weg, der von der Hohepforte mitte der Stadt bis zum Sieverstor verlief. Die sieben Tore waren das Ziegeltor, das Bäckertor, das Fährtor, das Sandtor, Das Sieverstor (Insleber Tor, Mitteltor), das Feldtor und das Lorenztor, auch Lorenzpforte genannt.

Die Bewohner von Neustadt und Frose lebten einige Jahrhunderte friedlich nebeneinander. Das hörte im 14. Jahrhundert auf - es gab Streitereien zwischen den Behörden und den Einwohnern. Kurzerhand ließ Erzbischof Peter 1372 dem ein Ende setzen und vereinigte beide Gemeinden. Die Neustadt erweiterte sich dadurch beträchtlich und auch die Bevölkerungszahl erhöhte sich. Die Neustadt entwickelte sich unter friedlichen Bedingungen bis zum 16. Jahrhundert zu ihrer höchsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Blüte, was danach nie wieder so erreicht wurde.

Die 2. Zerstörung der Neustadt 1550/51
Am 31. Oktober 1517 schlägt Martin Luther an dem Tor zur Schlosskirche Wittenberg seine berühmt gewordenen 95 Thesen an, was zugleich der Beginn der Reformation war. Am 5. Juni 1524 predigte der Kaplan des Agnetenklosters ohne Genehmigung der Obrigkeit evangelisch. Danach kam es zu erheblichen Tumulten im Neustädter Agnetenkloster. Auch im Neustädter Lorenzkloster kam es zu ähnlichen Auseinandersetzungen. Am 24. Juni des gleichen Jahres kam Luther nach Magdeburg und hielt in der Kirche des Augustinerklosters und in der Johanneskirche Predigten. Damit setzte sich in Magdeburg die Reformation durch, in der Neustadt allerdings erst im Jahr 1547.

Die Neustadt im 16. Jahrhundert vor der Zerstörung. Zeichnung nach Helmut Menzel

Am 4. Oktober 1550 rückte der Herzog von Sachsen mit den kaiserlichen Truppen vor die Tore der Stadt Magdeburg, ohne vorerst anzugreifen. Sie richteten sich auf eine längere Belagerung der Stadt ein. Allerdings waren die Verteidiger aktiver und unternahmen zahlreiche Ausfälle. Auf den Wällen der Magdeburger Festung standen 400 Geschütze und Kanonen. Rund    10 000 bewaffnete Bürger und Soldaten, bestückt mit Handfeuerwaffen, standen dem Oberbefehlshaber Alemann zur Verfügung.

Mitte November ordnete der Stadtrat Magdeburg an, das Neustädter Agnetenkloster abzureißen, damit sich der Feind nicht unmittelbar vor der Stadtmauer festsetzen könne. Die Neustadt selbst war für die kaiserlichen Truppen ein äußerst wichtiger strategischer Punkt und sie strebten deshalb an, die Neustadt einzunehmen, was dann am 28. November auch geschah. Es folgte die unausbleibliche Plünderung der Stadt, wie das zu jenen Zeiten üblich war. Alle Neustädter Männer. die sich dem Angreifer zur Wehr setzten, wurden niedergemetzelt.

In Magdeburg stationierte Söldner eilten zur Hilfe, aber die Übermacht war zu groß. Bevor diese Söldner sich zurückzogen, erhielten sie vom Stadtrat den Befehl, einen Teil der Häuser von Neustadt anzuzünden.        Die Gefechte zwischen den Kaisertruppen und der Magdeburger Streitmacht verstärkten sich, sowohl bei Ausfällen aus der Stadt als auch auf der Elbe, wo beide Seiten zahlreiche Schiffe liegen hatten

Ende 1551 kam es endlich zu Verhandlungen, welche mit einem Vergleich endeten. Die Neustadt aber war restlos zerstört, entweder vom Anzünden der Häuser durch die Magdeburger oder bei den zahlreichen Kampfhandlungen und Gefechten zwischen beiden Seiten.

Die 3. Zerstörung der Neustadt 1631
Von 1618 bis 1648 wütete der 30jährige Krieg in den deutschen Ländern. Weite Teile Deutschlands wurden dabei verwüstet und entvölkert.

Um 1625 erreichte der Krieg auch Magdeburg und Umgebung. Angesichts der drohenden Gefahr beschloss der Magdeburger Magistrat, die vorhandenen Festungswerke beträchtlich zu erweitern. Besonders die nördliche Seite in Richtung Neustadt stand dabei im Mttelpunkt. So wurden 1625 an den Elbecken der Stadtbefestigung weitere Bollwerke errichtet. Am "Welschen Turm" (die spätere Lukasklause) entstand das "Neue Werk" und am Krökentor baute man ein Hornwerk.

Am 7. September 1625 ließ der Rat der Stast Magdeburg durch vier Trommler in Neustadt und Sudenburg verkünden, dass alle Häuser auf dem vor der Stadt liegenden Territorien abzureißen sind. Die Obrigkeit des Klosters St. Agnetes legte energischen Protest ein. Es lag innerhalb der 1000 Schritt und sollte abgetragen werden. Es wurde gerettet. Im März 1626 riss man das Neustädter Rathaus ein, am 18. April die Nicolaikirche und ab dem 19. April die Rathausschänke und zahlreiche Gildehäuser der Brauer, Lakenmacher, Schneider, Schmiede und Schuster. Der Neustadt entstand ein Schaden von rund 80 000 Taler.

Ab März 1629 verhängte Wallenstein die Blockade für Magdeburg. Die Feinde legten um Magdeburg cirka 16 Schanzen, eine davon war etwas nordwestlich der Neustadt, am sogenannten Hochgericht in Richtung zum Dorf Insleben. Am 4. Juli 1629 feuerten die Belagerer von der Neustadt aus die ersten Kanonenkugeln in Richtung Magdeburg, in den folgenden Wochen und Monaten gab es zwischen beiden Seiten zahlreiche Scharmützel, vor allem mit den in der Neustadt lagernden feindlichen Truppen.

In der militärischen Führung Magdeburg änderte sich einiges. Ab November 1630 übernahm der Hofmarschall und Oberst Dietrich von Falkenberg das Kommando. Er entschloss sich u.a. zu einer für die Neustädter Bürger folgenschwerer Maßnahme. Auf seinen Befehl hin brannten seine Soldaten am 13. April 1631 in der Neustadt alles nieder, was 1625/26 stehen geblieben war. Er begründete es mit einem "strategischen Erfordernis". Das Vorhaben zum Niederbrennen von Häusern in der Neustadt gelang nicht ganz, denn Falkenbergs Soldaten wurden von den kaiserlichen Truppen in die Stadt zurückgedrängt.

         

           Die Nicolaikirche in Neustadt - Eingeweiht am 20. Mai 1585,
           niedergerissen am 26. April 1626

7 000 Magdeburger Verteidigern standen rund 30000 Soldaten und Söldner des kaiserlichen Heeres gegenüber. General Tilly forderte am 24. April 1631 die Stadt Magdeburg zur Übergabe auf, was aber abgelehnt wurde. Eine letzte Aufforderung geschah am 9.  Mai. General Falkenberg lehnte eine Übergabe kategorisch ab, der Rat und die Bürgerschaft aber schwankten. Inzwischen legte aber der kaiserliche Kriegsrat schon die Strategie zum Sturm auf die Stadt fest. Magdeburg sollte von vier Seiten aus eingenommen werden. So sollte Graf Pappenheim von der Neustadt aus das große "Neue Werk" stürmen, was dann auch geschah. Magdeburg wurde erstürmt und vollständig vernichtet.

In der Neustadt begann der Wiederaufbau bereits im Jahr 1633. Um 1638 waren die Verhältnisse des Kirchspiels St. Nicolai wieder geordnet und 1635 konnte die wiedererrichtete Nicolaikirche sogar schon wieder
notdürftig zu Gottesdiensten verwendet werden. Die Einweihung war jedoch erst zum Palmsonntag 1654; aus finanziellen Gründen schritt der Neubau nur sehr langsam voran. Der Kirchturm ist sogar erst im Jahr 1693 fertiggestellt worden.

Die Neustadt blieb eine selbständige Landstadt, trotz aller Bemühungen der Magdeburger Ratsherren, dieses zu verhindern. Allerdings setzten sie durch, die direkten  Festungsanlagen beim Wiederaufbau der Neustadt nicht zu gefährden. Es blieb deshalb ein breiter, nicht bebauter Streifen zwischen Magdeburg und der Stadt Neustadt, so dass diese nach dem Krieg wiederum ein Stück nach Norden rückte.   

Die 4. Zerstörung der Neustadt 1812/1813
In der Doppelschlacht von Jena/Auerstedt 1806 wurden die preußischen Truppen empfindlich geschlagen. Die Preußen flohen, die Franzosen setzten bis Magdeburg nach. Am 6. November 1806 übergab dann  der Festungskommandant von Magdeburg die Stadt an Marschall Ney. Das wurde dem Kommandanten als schimpfliche Kapitulation nachgesagt, immerhin unterstanden ihm zu diesem Zeitpunkt fast 24 000 Mann. Am 11. November 1806 zogen die Franzosen ohne jede Gegenwehr in Magdeburg ein.

Am 8. August 1807 kam es zur Bildung des Königreiches Westfalen, in dem Napoleon seinen jüngsten Bruder Hieronymus als König einsetzte. Nach französischen Vorbild führte man acht Departements als neue  Verwaltungsstrukturen ein. Die Neustadt gehörte wie auch Magdeburg zum Elbdepartement. Unterteilt waren diese in Distrikte, diese waren Magdeburg, Stendal, Neuhaldensleben und Salzwedel. Die Distrikte waren wiederum in Kantone aufgeteilt. Die Neustadt wurde Hauptort des Kantons Neustadt. Dazu gehörten die Dörfer Rothensee, Glindenberg, Heinrichsberge, Barleben und Ebendorf. Ihm stand der Bürgermeister des Kantons Karl Rosenthal vor, der zugleich der Bürgermeister von Neustadt war.

Am 19. Februar 1812 legte ein Dekret Napoleons fest,  Teile von Sudenburg und Neustadt abzureißen. In der Neustadt waren davon ca. ein Drittel der Häuser, das waren rund 250, betroffen.

Am 15. Februar 1813 musste auf Befehl Napoleons ein weiteres Drittel der Neustadt  abgetragen werden.

                   Schema zur 4. Zerstörung der Neustadt             

                                        ( H.Mittank)

Bereits ab September 1812 begann der Wiederaufbau der Neustadt auf dem nördlich des ehemaligen Territoriums zugewiesenen Baugeländes. Die neue Stadt erhielt zuerst den Namen Hieronymusstadt (Name des Königs), nach dem Abzug der Franzosen am 24. Mai 1814 wurde es wieder die selbständige Landstadt Neustadt. Den neuen, wieder aufgebauten Teil nannte man Neue Neustadt, der ehemals stehen gebliebene Teil bekam den Beinamen Alte Neustadt.